Steuerberatung neu denken – so gelingt der Wandel zu einer erfolgreichen Zukunftskanzlei

ein Artikel von Tanja Palzer – erschienen in den Verbandsnachrichten des Steuerberaterverbands Hessen – Ausgabe Nr. 92

Die Zeiten für Steuerberater sind turbulent.

Wir spüren den Veränderungsdruck deutlich, Digitalisierung, Automatisierung, Fachkräftemangel und jetzt auch noch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Unser Arbeitsalltag ist geprägt von permanentem Druck und Überlastung. Wir nehmen wahr, dass sich die Bedürfnisse unserer Mandanten und unserer Mitarbeiter ändern. Gleichzeitig zwingen uns rechtliche Änderungen und technische Entwicklungen zu einer ständigen Anpassung unserer Arbeitsweise und unserer Prozesse. Wenn wir unsere Marktposition festigen oder ausbauen wollen, dann müssen wir uns diesem Wandel stellen und uns auf diese Herausforderungen vorbereiten. Der zukünftige Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, von den Mandanten als wertvoller Berater und unternehmerischer Begleiter wahrgenommen zu werden und gleichzeitig die sich ändernden Anforderungen nachhaltig in die Kanzleikultur zu integrieren.

Wir wünschen uns…

  • selbstbestimmtes Arbeiten statt hektisches Reagieren
  • motivierte Mitarbeiter, die Eigeninitiative zeigen statt Fachkräftemangel
  • eine erfolgreiche Umsetzung des digitalen Wandels gemeinsam mit unseren Mitarbeitern und Mandanten

…und fragen uns:

Wie stellen wir sicher, dass uns diese Transformation gelingt und nicht unserem herausfordernden Tagesgeschäft zum Opfer fällt?

Die schlechte Nachricht: Nein, es gibt keine Patentlösung, damit dieser Wandel erfolgreich ist. Und nein, eine erfolgreiche Transformation ist auch kein einmaliges Projekt, das wir planen, steuern und irgendwann für beendet erklären können.

Die gute Nachricht: Es gibt zahlreiche Ansatzpunkte, um den notwendigen Wandel anzustoßen und viele Methoden, die uns bei der Transformation unserer Kanzlei unterstützen.

Der Wandel unserer Kanzlei gelingt dann, wenn wir

  1. die Ansatzpunkte für notwendige Veränderungen identifiziert haben,
  2. eine individuelle Strategie für unsere Kanzlei gefunden haben und
  3. über eine Auswahl von Methoden verfügen, um die notwendigen Schritte zu vollziehen und mit Widerständen und Hindernissen umzugehen.

Die Beschreibung eines umfassenden Transformationskonzeptes würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Daher möchten wir an dieser Stelle fünf Impulse liefern, die für die Transformation in die Kanzlei der Zukunft hilfreich sind.

1. Freiräume für den Wandel schaffen

Für Steuerberater ist es nicht leicht, sich aus dem turbulenten Tagesgeschäft auszuklinken und an strategischen Themen zu arbeiten. Daher ist es sinnvoll, sich zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, wie unsere persönliche Arbeitszeit auf die vielfältigen Tätigkeiten verteilt ist. Dies mag auf den ersten Blick banal klingen, aber die Erfahrung zeigt regelmäßig, dass uns die „Zeitfresser“ oft nicht klar sind. Wertvolle Erkenntnisse liefert hier die Bestandsaufnahme einer üblichen Arbeitswoche. Anschließend geht es dann darum, sowohl mithilfe von Zeitmanagementtools die eigene Arbeit zu optimieren als auch die Aufgaben zu identifizieren, die sich für eine Delegation an Mitarbeiter eignen.

Delegation bedeutet nicht nur Entlastung für den Chef, sondern gleichzeitig bewirkt sie auch ein Empowerment der Mitarbeiter. Ein Selbstläufer ist sie allerdings nicht. Die Entscheidung, was delegiere ich wann an wen, ist nicht einfach. Bedeutsam sind hier die Reflexion und ggf. Anpassung des eigenen Führungsstils und die Anwendung einer konsistenten Methode, die den Mitarbeitern das Hineinwachsen in die neuen Aufgaben ermöglicht. Gleichzeitig ist der Weg zu einer erfolgreichen Delegation mit zahlreichen Stolpersteinen gepflastert. Hat der Mitarbeiter das Gefühl, dass lediglich ungeliebte Aufgaben auf ihn abgeladen werden oder ist ihm nicht klar warum gerade er diese Aufgabe übernehmen soll, dann ist dies nicht förderlich für seine Motivation. Nur wer neben dieser auch die vielen weiteren Fallen kennt, kann diesen mit wirksamen Strategien begegnen und erfolgreich delegieren.

Führung ist zuallererst die Fähigkeit sich selbst zu führen.

Unsere Tätigkeit als Steuerberater ist in großem Maße geprägt von zwischenmenschlichen Interaktionen und damit abwechslungsreich und interessant. Hiermit verbunden sind regelmäßig Emotionen und nicht selten auch Missverständnisse und Konflikte. Nicht nur wenn es um Change-Projekte geht, sondern auch im Tagesgeschäft ist daher ein guter emotionaler Zustand notwendig. Dies setzt zum einen die eigene Selbstbewusstheit, d.h. eine realistische Einschätzung der eigenen Persönlichkeit und zum zweiten die Fähigkeit zur eigenen Selbststeuerung voraus. Zahlreiche Methoden aus dem Emotionsmanagement sind hilfreich, wenn es darum geht, unseren eigenen Gefühlen und Stimmungen nicht ausgeliefert zu sein, sondern unser Verhalten konstruktiv zu beeinflussen.

2. Konkrete Veränderungsziele finden und umsetzen

Der Veränderungsdruck ist an zahlreichen Stellen spürbar. Die Auswahl der potentiellen Veränderungsprojekte ist vielfältig. Es geht letztlich darum, neue Geschäftsmodelle zu etablieren und die Digitalisierung in den Kanzleiprozessen konkret umzusetzen.

Auch wenn das Ziel klar ist, sind die passenden Maßnahmen und Schritte eher diffus als konkret. Die Transformation wird nur gelingen, wenn die formulierten strategischen Ziele als roter Faden für alle Aktivitäten in der Kanzlei fungieren und sich das gesamte Team in die gleiche Richtung bewegt. Erst wenn ein einheitliches Verständnis und Klarheit für alle Beteiligten gewährleistet ist, können Prioritäten definiert und Indikatoren für die Messung von Erfolg implementiert werden.

Bewährt hat sich hier die durch Google bekannt gewordenen OKR-Methode, die Qualitative Ziele (Objectives) mithilfe quantitativer Ziele (Key Results) messbar macht.

So könnte ein Objective für die Kanzlei lauten: „Wir stellen viele Mandanten auf einen digitalen Belegtransfer um.“

Mögliche passende Key Results für einen Drei-Monats-Zeitraum könnten lauten:

  1. Wir erarbeiten ein schriftliches Konzept, in dem die einzelnen Schritte und Verantwortlichkeiten für diese Umstellung detailliert beschrieben sind.
  2. Wir veröffentlichen auf unserer Homepage ein kurzes Erklärvideo mit den Vorteilen der digitalen Arbeitsweise.
  3. Jeder Buchhalter spricht drei Mandanten konkret an und überzeugt diese von der Umstellung.
  4. Bei Widerständen seitens des angesprochenen Mandanten gibt es in der Kanzlei einen Verantwortlichen, der die Zweifel ausräumen kann.

Während das Objective, welches durchaus ambitioniert sein darf, beschreibt wo wir hin wollen, beschreiben die Key Results, welche konkreten Schritte wir unternehmen können, um dieses Ziel zu erreichen. Aufgrund ihrer Messbarkeit machen sie erkennbar, ob wir unserem Ziel auch wirklich näher gekommen sind oder ob wir Modifikationen in unserer Vorgehensweise vornehmen sollten.

Da Klarheit darüber herrscht, was in einem überschaubaren Zeitraum zu leisten ist und dies jederzeit für alle Beteiligten transparent ist, ermöglicht dies eine permanente Selbstkontrolle und unterstützt die intrinsische Motivation aller Beteiligten. Letztlich ist so eine erfolgreiche Umsetzung von strategischen Zielen im Trubel des Alltagsgeschäftes gewährleistet.

3. Mitarbeiter mitnehmen und Widerstände gegen Veränderungen ausräumen

„Der einzige, der Veränderung will, ist ein Baby mit vollgeschissenen Windeln.“

Die meisten Menschen sehen Veränderungen kritisch. Neues ist ungewiss und löst Ängste aus. Die durch die Transformation der Kanzlei notwendigen Maßnahmen haben gravierende Auswirkungen auf die gewohnte Arbeitsweise und betreffen damit das gesamte Team. Daher ist es gefährlich, die Mitarbeiter in diesem Transformationsprozess außen vor zu lassen.

Wenn wir den Wandel als eine gezielte Beeinflussung unserer Kanzlei betrachten, dann ist klar, dass dieser Prozess nicht von alleine läuft. Der Kanzleiinhaber muss aktive etwas tun und einplanen, dass ein Veränderungsprozess Zeit benötigt. Ein Veränderungsprozess kann in mehrere Phasen gegliedert werden. Erstens ist es wichtig, ein Klima für Veränderungen zu schaffen. Allen Beteiligten muss die Dringlichkeit bewusst sein. Möglicherweise ist erst ein gewisser Leidensdruck notwendig, um eine Veränderungsbereitschaft sicherzustellen.

Zweitens geht es darum die gesamte Organisation einzubinden und Verständnis und Akzeptanz zu gewährleisten. Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, sollten in dieser Phase auch kurzfristige Erfolge gefeiert werden. Es ist demotivierend, den Fokus nur auf die Dinge zu richten, die nicht funktionieren.

Drittens besteht die Herausforderung, den Wandel auch nachhaltig umzusetzen. Der Rückfall in alte Muster ist allzu menschlich.

Wenn wir uns bewusst machen, dass der Widerstand gegen Veränderungen üblich ist, dann ist die Kenntnis verschiedener Reaktionsmuster auf Veränderungen und der Umgang damit hilfreich.

4. Stellen Sie sicher, dass Ihr Team funktioniert

Das Potential, die geänderten Anforderungen der Mandanten zu erfüllen, steckt in unseren Mitarbeitern. Die Zukunftsfähigkeit der Kanzlei hängt maßgeblich davon ab, dass das Team funktioniert. Ein gut funktionierendes Team ist aber weder eine Selbstverständlichkeit noch ein Selbstläufer. Was aber macht ein Team leistungsfähig und was behindert es? Hilfreich ist hier der Blick auf die sog. 5 Dysfunktionen eines Teams, die beschreiben, wie einzelne problematische Dinge im Team durch ihr Zusammenwirken letztlich über den Erfolg der Kanzlei entscheiden.

Selten ist es für den Kanzleiinhaber offensichtlich, wo in seinem Team konkret Ansatzpunkte für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit liegen. Wertvolle Erkenntnisse liefern die Antworten auf Fragen wie:

  • Wird in unseren Teammeetings leidenschaftlich diskutiert?
  • Weisen wir uns gegenseitig auf Defizite und unproduktive Verhaltensweisen hin?
  • Bringen die Teammitglieder bereitwillig Opfer für das Wohl des Teams?
  • Werden Schwächen und Fehler offen zugegeben?

Fehlendes Vertrauen und mangelnde Offenheit unter den Teammitgliedern führt dazu, dass eine künstliche Harmonie entsteht, in der aus Scheu vor Konflikten wenig diskutiert wird. Wenn aber Entscheidungen nicht wirklich ausdiskutiert werden, zieht dies zwangsläufig mangelnde Akzeptanz und fehlendes Engagement nach sich. Wenn man sich selbst nicht engagiert, dann scheut man sich auch vor der Verantwortung, andere wegen kontraproduktivem Verhalten zur Rede zu stellen. Mittelmäßigkeit wird von allen akzeptiert und da sowieso niemand zur Verantwortung gezogen wird, macht es Sinn, seine eigenen persönlichen Ziele über die Teamziele zu stellen. Dies gefährdet den Erfolg Ihrer Kanzlei erheblich.

5. Nutzen Sie Ihr Netzwerk

Steuerberater werden als Experte regelmäßig von Mandanten als wertvoller Berater wahrgenommen. Es wird von uns erwartet, dass wir letztlich für jedes Problem eine Lösung finden. Für die Mitarbeiter bekleiden sie die Rolle als Chef und im Zweifel treffen wir die Entscheidungen. Aber auch Steuerberater sind nicht allwissend und schätzen den Austausch mit Kollegen auf Augenhöhe. Der regelmäßige Austausch in einem Netzwerk mit Berufskollegen bringt wertvolle Erkenntnisse. Es muss schließlich nicht jeder jeden Fehler selbst machen.

Von Albert Einstein stammt die Aussage:

„ Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“

Nein, wir Steuerberater sind nicht wahnsinnig und ja, wenn jemand mit sich ändernden Rahmenbedingungen umgehen kann, dann wir. Trotzdem stellen uns die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen vor große Herausforderungen. Die Zukunftsfähigkeit unserer Kanzlei hängt davon ab, ob es uns gelingt, gemeinsam mit unseren Mitarbeitern die notwendigen Schritte zu gehen. Wenn wir für unsere Kanzlei ein passendes individuelles Transformationskonzept erstellen und bewährte Methoden aus den Bereichen Selbst- und Zeitmanagement, Mitarbeiterführung und Organisationsentwicklung anwenden, dann steht dem Wandel zur Kanzlei der Zukunft nichts mehr im Weg.

Gemeinsam mit dem erfahrenen Business-Coach und Führungskräftetrainer Hans-Jürgen Walter zeigen wir meinen Berufskollegen mit unserem Workshop „Die Kanzlei im erfolgreichen Wandel“ wie die nächsten Schritte konkret aussehen könnten und insbesondere wie eine Umsetzung im turbulenten Kanzleialltag wirklich gelingt.

Ausführliche Informationen gibt es unter www.abenteuer-kanzlei.de